Zornfried
Jörg Uwe Albig
Der Journalist Jan Brock ist Zeuge als bei einer Podiumsdiskussion uniformierte junge Männer die Bühne stürmen, die Spraydosen zücken und folgenden Satz an die Wand sprühen: „Versklavt nicht von der Heuchler feiger Zunge“. Eine eingehende Recherche ergibt, dass es sich hierbei um einen Ausschnitt eines Gedichts von Storm Linné handelt, Verfasser schneidiger, traditionsreicher Verse, in der rechten Szene wie ein Messias verehrt. Jan Brock, Verfechter der Maxime – Es hat keinen Sinn an der Gegensprechanlage abzuweisen, was längst vor der Tür steht – schreibt daraufhin einen langen Verriss über Linnés Werke für das Feuilleton seiner Zeitung, was ihm wiederum eine Einladung auf Burg Zornfried einbringt.
Der Burgherr Hartmut Freiherr von Schierling, Gastgeber Storm Linnés, lädt „zum zwanglosen Gedankenaustausch“ und Jan Brock sagt zu. Und so treffen sie sich (obwohl Brocks Navi umsichtig kurz vor Erreichen des Ziels mahnt „Drehen Sie, wenn möglich um“) vor der beeindruckenden Kulisse des Spessart, nehmen gemeinsame bodenständige Mahlzeiten in einem der vielen, mit bedeutungsvollen Namen versehenen, Säle zu sich und während der Burgherr und seine Frau sich gepflegt siezen, sorgen deren klongleiche Töchter für einen reibungslosen Ablauf an der Tafel. Doch Brock und weitere Journalisten müssen sich bald der Frage stellen, ob sie wirklich noch neutrale Berichterstatter sind oder dem Reiz der rechten Denkart schon verfallen?
Eine unglaublich gut gelaunte Satire, jedem Kapitel ist ein Gedicht „Storm Linnés“ vorangestellt, allesamt von Jörg Uwe Albig verfasst. Meine Empfehlung: sich selbst laut vorlesen!
Kerstin Schneider