Vater unser
Angela Lehner
Die Hände mit Handschellen auf den Rücken gefesselt, wird Eva Gruber von der Polizei in die psychiatrische Klinik Otto-Wagner-Spital in Wien eingeliefert. Vom Arzt gefragt warum sie hier sei, gibt sie zur Antwort eine Kindergartengruppe ermordet zu haben.
Doch halt, Eva Gruber, das muss erwähnt werden, ist eine äußerst unzuverlässige Ich-Erzählerin und eine Lüge kommt ihr leichter über die Lippen als das Vater unser. Schnell wird klar, dass sie definitiv eine psychische Erkrankung hat, sie aber in erster Linie in der Klinik ist, um ihren Bruder Bernhard, der ebenfalls Patient im Spital ist, zu „retten“. Die beiden haben sich seit Jahren nicht mehr gesehen, Bernhard versteckt sich auch hier vor ihr, doch Eva ist von ihrem Plan nicht abzuhalten. Während sie rotzfrech, übergriffig und manipulativ den Klinikalltag aufmischt, erfahren wir in den Therapiegesprächen mit Dr. Korb einiges über ihren Vater, einen kettenrauchenden, erzkatholischen und ultrakonservativen Mann, der die Familie für eine andere Frau verlassen hat, im Vater sieht Eva die Wurzel allen Übels.
In rasantem Tempo erzählt, spielt „Vater unser“ mit der Frage was ist gesund, was ist krank, vor allem ab wann? Eva Gruber ist eine Romanheldin, die man abwechselnd liebt oder hasst und von der man sich am Ende des Buches nur ungern verabschiedet.
Kerstin Schneider