Die Mauer
John Lanchester
Wenn man aktuelle Themen wie Brexit, Klimaerwärmung und Flüchtlingsproblematik mit dem Ruf manch eines Politikers nach einer Mauer vermengt, das Ganze noch dazu auf die Spitze treibt, dann landet man schnurstracks bei diesem Buch.
Entlang der britischen Küste wurde eine Mauer hochgezogen – stolze 10.000 km lang. Durch den über die Jahre angestiegenen Meeresspiegel entsteht der Eindruck, als läge eine uneinnehmbare Trutzburg inmitten des atlantischen Ozeans. Bewacht wird diese Mauer rund um die Uhr in zwei Schichten von über 20.000 Verteidigern, jungen Leuten beiderlei Geschlechts, die für zwei Jahre zu diesem Dienst verpflichtet sind. Es gilt das Land vor den „Anderen“ zu schützen, Flüchtlingen, die zumeist lange beschwerliche Überfahrten auf sich genommen haben um in dieses Land - notfalls auch mit Gewalt - einzudringen. Sollte ihnen das gelingen kommt es zu einem Austausch, für jeden erfolgreichen Anderen wird ein Verteidiger auf das offene Meer ausgesetzt. Die Anderen wiederum haben, sobald sie gefasst werden (da sie nicht wie die Landesbewohner gechipt sind, erfolgt dies zumeist innerhalb kürzester Zeit) die Wahl sich a) ebenfalls wieder auf das Meer aussetzen, b) sich einschläfern und c) sich als Dienstling, als Sklave, verpflichten zu lassen.
Wie das Leben unter solchen Umständen verlaufen kann erleben wir am Beispiel von Joseph Kavanagh, der gleich zu Beginn des Buches seinen ersten Tag auf der Mauer antritt. Er gehört zu den Jugendlichen die sich innerlich von ihren Eltern abgewendet haben, kommen diese doch aus der Generation „vor der Mauer“, die es versäumt hat vernünftige Entscheidungen für ihre Nachkommen zu treffen. Familie sind die Kameraden, doch ein so gnadenlos regiertes Land lässt nicht viel Spielraum für den Einzelnen…
Kerstin Schneider